Geschichte unseres Vereins

Unser Verein begeht im Jahre 2027 seinen 100. Gründungstag. Er blickt auf eine interessante und zugleich wechselvolle Geschichte zurück.

Von Werner Pfützner

Die Geschichte unserer Vereins

Teil 1
Vom schweren Anfang:
Woher kamen unsere Gründer?

Westlich der heutigen Prager Straße erstreckte sich Ende des 19.Jahrhunderts hinter der ersten Häuserzeile zwischen Johannisallee und Frauenklinik der „Verein der Garteninhaber zu Thonberg“.

 

Diese Gärten entstanden als Hausgärten etwa um 1870 und entwickelten sich langsam zu einer kompletten Anlage. Da jeder Pächter einen Einzelvertrag mit der Stadt Leipzig hatte, dauerte es bis 1897, ehe man sich der Schreberbewegung anschloss.

In den Schrebervereinen jener Zeit war das Bestreben sehr groß, von der Stadt Leipzig als Daueranlage eingestuft zu werden. Damit wollte man das Risiko eines möglichen Landverlust durch Baumaßnahmen der Stadt verringern.

Die Gartenanlage des Vereins der Garteninhaber zu Leipzig-Thonberg um 1890
Die Gartenanlage des Vereins der Garteninhaber zu Leipzig-Thonberg um 1890

1927

Leipzig wuchs nach dem 1.Weltkrieg wieder und damit die Gefahr, dass die Stadt den Kleingärtnern, die im Stadtgebiet ihre Parzelle hatten, kurzfristig kündigte.

So traf es im Jahr 1926 auch einen Teil der Kleingärten der Anlage „Thonberg“. Die Anlage war nicht als Daueranlage eingestuft.

Die Stadt brauchte Land zum Anlegen eines Schulgartens für die Taubstummenanstalt und die Erweiterung des Universitätsklinikums.

Die betroffenen Kleingärtner wollten ihre Scholle nicht räumen und legten gegen den Beschluss des Stadtrates Widerspruch ein. Aber bald wurde klar, dass es keine Möglichkeit gab, die Gärten zu erhalten.

Daraufhin spalteten sich die Betroffenen in 2 Gruppen. Die eine Gruppe kämpfte um eine Entschädigung und die andere Gruppe um neues Land zur Schaffung einer neuen Daueranlage. Die erhaltenen Protokolle zeigen, dass heftig gestritten wurde und bald ein Zerwürfnis entstand.

Walter Haferkorn, wahrscheinlich damals Vorsitzender von „Thonberg“ und selbst Betroffener, schaffte es schließlich, dass die Stadt Land an der Holzhäuser Straße anbot und gründete am 30.Januar 1927 mit weiteren 57 gekündigten Gartenfreunden einen neuen Verein. Sie gaben ihm den Namen „Früh Auf“.

Das Protokoll der Gründungsversammlung unseres Vereins

Das verbliebene Areal der Anlage „Thonberg“ existierte noch etwa 60 Jahre.

In den 80er-Jahren wurde mit dem Abriss der ersten verfallenen Häuser an der damaligen Leninstraße begonnen und nach der Wende der Rest beräumt. Das Gelände, einschließlich der Gärten, wurde von der Stadt als Bauland vergeben. Damit war das Schicksal der Restanlage „Thonberg“ endgültig besiegelt.

Heute stehen entlang der Prager Straße zwischen Johannisallee und Semmelweißstraße

moderne Bürohäuser und an die Gartenanlage, aus der unsere Gründer kamen, erinnert nichts mehr.

Teil 2
Die neue Gartenanlage am Kärrnerweg

Am 21 Februar 1927 wurde der Schreberverein „Früh Auf“ in das Vereinsregister der Stadt Leipzig eingetragen. Als erster Vorsitzender wurde Walter Haferkorn bestätigt. Er hatte dieses Amt bis 1931 inne.

Eintrag in das Vereinsregister der Stadt Leipzig
Eintrag in das Vereinsregister der Stadt Leipzig

1927

Die Stadt Leipzig stellte für den neuen Verein ehemaliges Gutsland zwischen Holzhäuser Straße und Kärrnerweg zur Verfügung. Bereits im Sommer 1927 waren die ersten 42 Gärten erschlossen und bis Dezember 1927 entstanden weitere 164 Gärten.

Die Anlage musste nach Vorgaben des Städtischen Gartenamtes errichtet und nach modernen gärtnerischen Gesichtspunkten gestaltet werden. So sollte durch eine große Festwiese und eine preiswerte Gartenkantine die Bevölkerung von Stötteritz in die Freizeitgestaltung der Gartenfreunde mit einbezogen werden.

Eine Festwiese von 5.000 m² war für eine damalige Gartenanlage ungewöhnlich groß. Wir sind heute glücklich, diese Festwiese zu haben und werden von vielen anderen Vereinen darum beneidet.

Eine wichtige Auflage der Stadt war die Sicherung eines öffentlichen Fußweges durch die Anlage als Ersatz für den bis dahin vorhandenen Feldweg.

Aufbau und Gestaltung der neuen Gartenanlage

Es wurde von vornherein festgelegt, dass jedes Mitglied zusätzlich zur Gestaltung des eigenen Gartens aktiv am Aufbau der Gesamtanlage mitzuwirken hat. Die Schaffung einer Neuanlage dieser Größe in so kurzer Zeit wäre ansonsten nicht möglich gewesen.

 

Die finanziellen Mittel waren begrenzt und so wurden die aufgenommenen Kredite ausschließlich für Material und Fachgewerke ausgegeben. Wer keine Arbeitsleistungen erbringen konnte, musste dafür eine Geldleistung erstatten.

 

Die Erschließung fand gleichzeitig auf dem Areal zwischen Holzhäuser Straße/ Kärrnerweg und Endstelle Straßenbahn/ letzter Querweg statt.

 

Die angrenzenden Gärten bis zum Sportplatz wurden später erschlossen. Sie hießen in der Umgangssprache „Arbeitslosengärten“, weil sie während der großen Weltwirtschaftskrise am Anfang der 30er Jahre entstanden.

 

In den Jahren vor dem 2.Weltkrieg erfolgte noch die Erweiterung um die D- Anlage jenseits des Kärrnerweges. Für diesen Teil der Gartenanlage wurden einheitliche Lauben vorgeschrieben und errichtet. Ein großer Teil davon steht noch.

Aufschüttung der Festwiese

Zurück zu den Anfängen des Aufbaus der Gartenanlage

Das Gelände der Anlage fällt zur Rietzschke hin stark ab. Für die Gärten und Wege hatte das wenig Bedeutung. Eine Festwiese konnte man jedoch mit diesem Gefälle nicht nutzen, da Karussells und Buden sonst immer stark unterfüttert werden müssten. Deshalb gab es nur eine Lösung – das Gelände musste aufgeschüttet werden. Dafür wurde eine große Menge Material benötigt wurde und dieses musste auch noch zerkleinert und verdichtet werden.

 

Abgebrochen wurde auch damals schon in Leipzig, so dass sich Unternehmer fanden, die ihre Ladung nicht auf der Deponie, sondern an der Holzhäuser Straße abkippten. Mit ihren Pferdefuhrwerken brachten Fuhrunternehmer dann das Material zur Baustelle zum Einebnen der Festwiese.

Parallel zu diesem Vorhaben wurde mit großem Anteil an Eigenleistungen die Blei-Wasser- Rohrleitung verlegt und der Anschluss an jeden Garten realisiert. Danach erfolgte die Befestigung der Wege, ebenfalls mit Bauschutt.

Bau eines Verteilerschachtes der Wasserleitung

1928

Im Jahr 1928 erfolge der Ankauf einer Holzbaracke, die der Fa. „Bratwurst-Glöckle“ bis dahin auf der Kleinmesse als Gaststätte gedient hatte.

Diese Baracke wurde zum Kernstück der Gartenkantine, die in dieser Form bis zum Abriss 1988 existierte. Natürlich reichte diese Baracke nicht für einen vollständigen Kantinenbetrieb aus, so dass noch Küchentrakt, Bierkeller und Lagerräume angebaut werden mussten. Es entstand auch ein kleines Vorstandszimmer.

Das erste Vereinsheim

1931

Im Jahr 1931 waren die Kredite dann so weit getilgt, dass der erste wirkliche Neubau in Angriff genommen werden konnte – der Vereinssaal.

Dieser stand in seiner Ursprünglichkeit bis zum Jahr 2019, allerdings mehrfach renoviert und generalüberholt.

Der Vereinssaal wurde in der Folgezeit neben der Festwiese zum kulturellen Zentrum des Gartenvereins und bis Ende der 80er Jahre auch für die jährliche Hauptversammlung genutzt.

Der Vereinssaal - erbaut 1931

1932

Die Festwiese wurde zunächst als Hartplatz errichtet, da Mittel für die Humusbedeckung nicht vorhanden waren. Die Begrünung und die Pflege in dieser Aufbauphase hätten die Möglichkeiten der Mitglieder überforderten.

Aus der Not machte man eine Tugend.

So wurde schon im Winter 1928/ 29 Wasser aufgebracht und eine Eisbahn für die Gartenfreunde und Stötteritzer geschaffen, die gegen ein geringes Eintrittsgeld genutzt werden konnte.

Die Eisbahn war bis Ende der 30er Jahre sehr beliebt und in ganz Leipzig bekannt. Es konnte sogar abends gelaufen werden, da fest installierte Lichtmasten vorhanden waren.

Die Eisbahn 1932

Anfang der 30er Jahre erfolgte auch die Einsäumung der Festwiese mit eine Hecke und die Pflanzung von Obstbäumen rings um den Platz. Die Früchte wurden zum großen Teil für gemeinnützige Zwecke gestiftet.

Nach dem Krieg wurde dann der Hartplatz mit Erde aufgeschüttet und Rasen gesät. In dieser Form wird die Festwiese noch heute genutzt.

Zur Namengebung des Vereins

Der Gartenverein wurde unter dem Namen „Früh Auf“ gegründet und war so bis 1933 im Vereinsregister der Stadt Leipzig eingetragen.

Im Jahr 1932 gründete sich in Stötteritz ein neuer Gartenverein mit dem Namen „Früh Auf“ II.

Am 28.4.1933 erließ das Polizeipräsidium Leipzig eine Verordnung zur Zusammenlegung von Vereinen.

Am 17.Dezember 1933 beschlossen die Mitglieder beider Vereine die Zusammenlegung unter dem neuen Namen

Kleingärtnerverein „Am Kärrnerweg“ e.V.

Dieser Name wurde am 23.Mai 1934 in das Vereinsregister eingetragen.

Vereinsleben

Bereits ab 1928 wurden regelmäßig Vereinsfeste veranstaltet. Höhepunkte waren immer die Kinder- und Sommerfeste in der ersten Augustwoche. Diese Tradition wurde bis auf wenige Ausnahmen bis heute beibehalten.

Anfang der 30er Jahre entstanden Freizeitgruppen für Kinder und Erwachsene, die insbesondere die Körperertüchtigung zum Ziel hatten. Das Vereinsleben war vielfältiger, als man es sich heute vielleicht vorstellen kann.

Kinderspielgruppe

Die Frauen trafen sich regelmäßig zu Näh- und Handarbeitsabenden, es existierte unter anderem ein Fanfarenzug, eine Kindertanzgruppe und ein Klampfen Chor.

Regelmäßig wurden Spielenachmittage für die Kinder organisiert. Auch das „Tauchschern“ und die sogenannten Lumpenfeste waren bei Kindern und Jugendlichen sehr beliebt.

Die Männer trafen sich regelmäßig zu Skatabenden im Vereinsheim.

Unser Fanfarenzug

1933-1945

Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten sollte das Vereinsleben den politischen Zielstellungen des neuen Systems untergeordnet werden.

In der veränderten Satzung hieß es nun: „Die Nutzung des Kleingartens im Sinne der Verbundenheit von Blut und Boden als Grundlage für Staat und Volk ist zu gewährleisten“.

Ob sich diese Dogmen wirklich auf das Vereinsleben ausgewirkt haben, muss bezweifelt werden. Kleingärtner waren und sind Individualisten und haben sich auch späteren Systemänderungen nie ganz untergeordnet. Der Garten und der Verein blieben immer ein Stück Privatsphäre.

Von 1933 bis 1945 hatte Otto Meißner den Vorsitz im Gartenverein. Der Vorsitzende nannte sich nun „Vereinsführer“. Otto Meißner war Postinspektor und konservativ eingestellt, ein Nazi war er aber gewiss nicht.

Das Vereinsleben ging ungebrochen weiter, das beweisen auch die vielen erhaltenen Fotos aus den Vorkriegsjahren.

Sommer- & Kinderfeste

Die Sommer- und Kinderfeste in dieser Zeit waren nicht nur Höhepunkte im Vereinsleben, sondern hatten die Größenordnung von Volksfesten in Stötteritz.

Bilder und Zeitzeugen berichten, dass die Umzüge meist am Stötteritzer Bahnhof begannen und auf der Festwiese im Verein endeten.

Umzug durch Stötteritz

Die Festwiese war so voller Menschen, dass man beim Betrachten der Bilder eher an eine Kundgebung, als ein Sommerfest denkt.

Auf der Vereinswiese 1930

Über das Vereinsleben während der Kriegsjahre ist nur wenig bekannt. Viele Männer wurden eingezogen und die Frauen, Kinder und Alten nutzten den Garten als wichtige zusätzliche Nahrungsquelle. Das letzte Sommer- und Kinderfest fand im Jahr 1940 statt.

Nach Beginn der Bombardierung Leipzigs 1943 erlosch wahrscheinlich das Vereinsleben in allen Gartenvereinen Leipzigs.

Bilder aus der Gründungszeit und den 30er Jahren